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San Gil - 3 Tage Adrenalin

Die Busfahrt von Bogota sollte eigentlich nur sechs bis sieben Stunden, allerdings sind wir ja bekannter Weise in Kolumbien und da nimmt man das eher als sehr grobe Richtlinie. Gegen 11 Uhr hatten wir den Bus mit Destination San Gil genommen, wo wir hofften am Abend auch anzukommen. Schon in den ersten Stunden wurde klar, dass wir San Gil frühestens um 21 Uhr erreichen würden, aber alles gut, dachten wir. Als der Fahrer gegen 19 Uhr eine Pause in Vado Real einlegte, waren wir schon etwas genervt, aber immerhin konnten wir uns noch etwas Warmes zwischen die Kiemen schieben. Normalerweise sind diese Pausen bei langen Busfahrten hier nicht ungewöhnlich und gehen 30 bis 45 Minuten. Also waren wir pünktlich nach 30 Minuten wieder zurück am Bus (der in der Zwischenzeit immer leer und abgeschlossen bleibt), um auf die Weiterfahrt zu warten. Als nach 60 Minuten immer noch kein Anzeichen zu erkennen war, dass die beiden Fahrer mal ihren Allerwertesten anheben und von ihrem Smartphone aufblicken würden, war die allgemeine Stimmung unter den Passagieren - die im Übrigen mittlerweile alle bereits warteten - recht angespannt. Nach 90 Minuten schafften es die beiden netten Herren dann endlich mal aus ihrem Fahrercafé hervorzukommen, machten aber immer noch keine Anstalten den Bus aufzuschliessen oder in irgendeiner Weise mal Stellung zur Verspätung zu beziehen. In aller Ruhe tauschten sie sich mit den anderen Fahrern aus und rauchten noch eine. Das machen in Südamerika übrigens sehr wenige bzw. wenn dann eher versteckt. Auch das Rauchen in Innenhöfen von Restaurants oder Hotels ist meistens streng untersagt. 

 

Mittlerweile war es 21 Uhr und als ich erneut einen der Fahrer fragte, was denn nun abgeht, meinte er, wo wir denn hin möchten. Ich entgegnete, dass wir den Bus bis San Gil nehmen und das auch bezahlt hätten, worauf er entgegnete, dass in der Stadt zehn Minuten vor San Gil eine Strassenblockade wäre, an der sie nicht durch kämen und deshalb sollten wir uns jetzt hier ein Hotel nehmen und am nächsten Tag versuchen, einen anderen Bus zu bekommen. Logischerweise mit neuem Ticket. Er würde mit dem Bus jetzt umkehren und eine Schleife fahren, um nördlich von San Gil in Bucaramanga anzukommen. San Gil würde er nicht mehr passieren. Und nachdem auch die einheimischen Passagiere alle genervt in andere Busse mit Umweg stiegen, akzeptierten wir unsere Lage und dass wir heute wohl nicht mehr weiter kommen würden. Nachdem wir auf Google Maps keinen Stau in Socorro gesehen hatten,  gehen wir bis heute davon aus, dass die Busfahrer einfach keine Lust hatten und die Gelegenheit als Streik wahr nahmen. Danke dafür und dass man uns das dann nach 2.5 Stunden Warten mal mitteilt…

 

Also haben wir improvisiert und uns im kleinen Dorf am Strassenrand ein Hotelzimmer genommen. War eine merkwürdige Raumaufteilung mit Doppel- und Hochbett, aber sollte es für unsere Zwecke tun. Kurzerhand montierten wir Morgans Beamer, kauften ein paar Bier und machten uns eben einen entspannten Abend im Bett. Am nächsten Morgen checkten wir, ob die Busse wieder fahren würden. Dabei achteten wir drauf, dass wir nicht wieder mit Omega (der Company vom Vortag) buchten und ich fand ein Verkaufsbüro eines anderen Anbieters, der meinte, dass um 12:30 Uhr ein Bus nach San Gil kommen würde. Also reservierte ich uns drei Tickets und guess what - auf dem Ticket steht oben natürlich wieder Omega… Nachdem wir zu dritt für insgesamt 7 $ sechs Croissants, vier Kaffe, eine Flasche Wasser und zwei Gatorade gefrühstückt hatten, spielten wir in der kleinen Bäckerei noch etwas mit den Hunden und der Babykatze, während die Locals uns grinsend beobachteten. Ich glaube in Vado Real, dem kleinen Kaff, sind bisher nur Touristen gelandet, wenn die Busse nicht weiter fahren, wie bei uns. Das haben wir unter anderem daran gemerkt, dass uns irgendein einheimischer Cowboy genervt gefragt hat, ob der LKW vor dem Café unserer wäre und wir den nicht mal umparken könnten…

 

Wir wollten Omega wirklich noch eine zweite Chance geben, nachdem sie am Vortag so versagt hatten, aber als der Bus dann mit einer guten Stunde Verspätung ankam, ging das Theater von vorne los. Zwar fuhr der Bus diesmal wirklich nach San Gil, allerdings war er von den Hügeln so massiv überfordert, dass er fünf mal stehen blieb und nicht mehr anzubekommen war. Eine Viertelstunde später bekam ihn der Fahrer dann immer wieder zum Laufen, nur damit er nach 500 Metern wieder ausstieg. Und so kamen wir anstatt um 14:30 Uhr irgendwann um 16:30 Uhr in San Gil an. Endlich!

 

San Gil ist bekannt für Abenteuersportarten, wie Bungee-Jumpen, Paragliden, Rafting und Wandern. Also beschlossen wir, bis auf Wandern alles davon zu machen. Zumindest Robin und ich, da Morgan Höhenangst hat. Am ersten Tag wollten wir den 70 Meter Bungee Sprung, am zweiten das Rafting und am dritten Paragliding zu machen. Das schöne ist, dass das hier auch alles nicht viel Geld kostet (alle Aktivitäten zusammen keine 150 €). Am Abend der Ankunft haben wir noch Daniel getroffen, der mit Robin und mir auf dem Boot von Panama nach Kolumbien war und sind mit ihm etwas essen gegangen, bevor er uns wieder verliess.

 

Am nächsten Morgen waren wir dann auf dem Farmersmarket, wo wir uns einen frischen Saft mixen liessen, um danach ein kolumbianisches Hühnchengericht zu essen. Die Grössen der Gerichte sind hier im Gegensatz zu Zentralamerika einfach gestört gross. Dazu gab es Limonade aus einem rosa Eimer, in den vermutlich 30 Liter rein passen. Gemäss Kellner natürlich gefiltertes Wasser, aber ich habe dem ganzen nicht ganz getraut und es lieber gelassen. Spätestens als eine Frau vorbei kam, die Plastiktüten der Limonade aus dem Eimer abfüllte und jedes Mal ihre ganze Hand in das Erfrischungsgetränk tunkte, war es dann ganz vorbei für mich. Das Essen war zwar gut, aber zum Trinken hätte mich nichts bewegen können. 

 

Für den Nachmittag hatten Robin und ich uns einen Spot beim Bungee reserviert. Keiner von uns hat das vorher gemacht und als wir auf dem Gelände ankamen, waren wir doch recht nervös. Wenn man es sachlich betrachte ist es auch eigentlich komplett beschränkt, sich an einem Seil hängend 70 Meter in die Tiefe zu stürzen. Aber ich mag beschränkt. Zuerst dachte ich, dass wir den Schrägen Metallarm hochklettern müssten, bevor wir springen, aber natürlich gab es eine Plattform, die uns automatisch zur Absprungstelle fuhr. Ausser uns war noch eine junge Kolumbianerin dabei, die recht nervös war, aber ohne zu zögern den ersten Sprung wagte. Nachdem wir alle eine halbe Stunde eingekleidet und informiert wurden ging es dann los. Zuerst die Kolumbianerin, die aus dem Schreien gar nicht mehr raus kam, dann Robin und zuletzt ich. Beim Hochfahren wurden meine Füsse aneinander gekettet und an das Sprungseil angeschlossen. Währenddessen hat der Instruktor mich voll gelabert und mir erklärt wie ich zu springen habe und wo hinschauen soll. Anschliessend schoss er ein paar Fotos und dann musste ich auch schon los in Richtung Kante laufen. Man hatte also gar keine Zeit sich über die Höhe oder den Sprung gross Gedanken zu machen. Für mich war das an den Rand Laufen tatsächlich das mulmigste, da es sich anfühlt, als würde dir das schwere Gummiseil gleich die Füsse wegziehen und dich in die Tiefe reissen. Natürlich war dem nicht so. Ganz vorne angekommen zählte der Instruktor noch auf drei und dann stürzte ich mich in meinen 70 Meter tiefen, vermeintlichen Tod. Und kam wieder hoch. Und wieder runter. Das ganze drei oder vier Mal und jedes Mal wenn ich wieder oben angekommen war und das Gefühl der Schwerelosigkeit wieder eingesetzt hat, gab es einen neuen Kick. Das war mit eine der extremsten Sachen, die ich bisher ausprobiert habe, aber hat schon brutal Spass gemacht. Als ich unten abgesetzt wurde kam ich aus dem Grinsen fast nicht mehr raus.

 

Robin hatte sich beim entsichern vom Bungeeseil irgendwie seinen Finger verklemmt und am Abend war dieser so dunkelblau und gelb, dass er das Raften am nächsten Tag leider absagen musste. Also gingen Morgan und ich alleine. Auch diese Aktivität hat echt Spass gemacht und hatte ihren eigenen Reiz, war aber bei weitem nicht so Adrenalin geladen, wie der Sprung vom Vortag. Insgesamt waren wir circa zwei Stunden auf dem Río Suarez unterwegs, bevor wir am Zielufer ankamen. Bis auf den ersten Wirbel, sind eigentlich alle auf dem Raft geblieben und wir haben das Boot nur ab und zu zum Schwimmen an ruhigen Stellen freiwillig verlassen. Abends gingen wir dann noch mit ein paar anderen vom Rafting gemeinsam bei Gringo Mikes Burger essen. Am nächsten Morgen sollte es dann mit der letzten Aktivität weiter gehen, dem Paragliden. 

 

Auch hier hat Morgan wieder auf Grund seiner Höhenangst verzichtet, also machten Robin und ich uns auf den Weg zum Canyon. Dazu wurden wir von einem Shuttlebus am Hostel abgeholt und zwei Stunden in den Cañon del Chicamocha gefahren. Dort erwartete uns auf 1700 Metern über Null die Startbahn, um über den 2000 Meter tieferen Canyon zu gleiten. Zuerst war Robin dran und dann ich. Ausser Anlaufen und beim Landen die Füsse anziehen muss man da auch wirklich nichts machen, also konnte ich den Flug und die Aussicht wirklich geniessen, während wir entlang des Canyons unsere Kreise zogen, umgeben von Geiern, die das gleiche im Sinn hatten. Am Ende gab es noch eine kleine Akrobatikeinlage, bei der der Gleitschirm so ziemlich unter uns war, bevor wir dann sanft gelandet sind. Im Anschluss hatten wir uns mit Morgan bei einigen natürlich Swimmingpools verabredet, wo wir zu Mittag assen (mal wieder Hühnchen) und anschliessend in den Flussbecken schwimmen gingen. Das war ziemlich cool, da man auch ein paar Cliffdives machen kann, allerdings war das Wasser schon eher frisch.

 

Irgendwann ging es dann wieder nach Hause und keine 30 Minuten nach Ankunft hat es dann zuerst Morgan erwischt: Gastroenteritis. Ich bin noch kurz zum Frisör gegangen und dann war auch ich fällig. Ich habe mich die ganze Nacht übergeben und konnte erst nach drei Uhr endlich einigermassen schlafen. Morgan ging es noch schlechter und am nächsten Tag erfuhren wir, dass in der lokalen Wasseraufbereitungsanlage die Software scheinbar versagt und sie das Wasser drei Tage nicht gechlort hatten. Als Folge daraus sind über 1300 bekannte Fälle von Gastroenteritis in San Gil aufgetreten. Unter den unbekannten Fällen wir beide und mindestens fünf andere, die beim Rafting dabei waren. Da Robin verschont blieb und es alle anderen, die beim Bootfahren dabei waren, erwischt hatte, war es eigentlich klar, woher es kommen musste. 

 

Also verlängerten wir unseren Aufenthalt nochmal einen Tag und liessen unsere Pläne mit dem Boot von Barrancabermeja nach Santa Cruz de Mompox zu fahren sausen und planten stattdessen direkt einen Bus am nächsten Tag nach Santa Marta zu nehmen. Zurück in den Norden!

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