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Rum Diaries - Mit dem Segelboot nach Kolumbien

Wie bereits erwähnt, beschlossen Robin und ich unseren Grenzübertritt von Panama nach Kolumbien etwas anders zu gestalten. Also haben wir mit Bluesailing einen Segelturn gebucht, der uns von Panama über die San Blas Islands nach Cartagena in Kolumbien befördern sollte. Durch die anhaltenden Strassenblockaden in Panama wurde unsere Abfahrt auf drei Uhr morgens verschoben und so quälten wir uns früh morgens aus dem Bett, um voll beladen mit Snacks und “Erfrischungsgetränken” die fünftägige Reise anzutreten. 

 

Mit dem Shuttle ging es zuerst von Panama City nach Puerto Lindo an der Karibikküste von Panama. Die Fahrt ging knappe drei Stunden und als wir ankamen, durften wir auch direkt zum ersten Mal unser neues Zuhause für die nächsten Tage betreten: Unser Schiff, die Gitanita (kleine Zigeunerin). Als die anderen zehn Passagiere und wir unsere Rucksäcke auf Deck befördert hatten schien das 52 Fuss lange Segelboot bereits voll zu sein. Wir setzten uns alle in die Sitzecke, während der Koch Memo uns einen Kaffee servierte und Ed, der erste Maat, unsere Pässe und das nötige Kleingeld für die Tour entgegennahm, um uns später die Kajüten zu zeigen. 

 

Die Gitanita

Die Gitanita ist ein Segelboot mit der Maximalkapazität von 15 Personen, war also mit uns 12 Gästen und der dreiköpfigen Crew voll beladen. Das Schiff hat fünf Kajüten, drei mit Doppelbetten und zwei Doppelbett plus Einzelhochbett. Jeder Raum hatte seine eigene Toilette und war wesentlich komfortabler, als das, was ich letztes Jahr in Indonesien erlebt hatte. Ausser den Kajüten gab es noch eine Küche im Schiffsbauch und theoretisch eine Couch mit Tisch, die allerdings permanent als Bett von der Crew genutzt wurde. Auf Grund der Jahreszeit mussten wir die gesamte Zeit mit Motor fahren, da es nicht genug Wind zum Segeln hatte. Der Aussenbereich bestand aus der Sitzecke am Heck des Schiffs und dem Oberdeck, was allerdings kaum genutzt werden konnte, da die Temperaturen von 35 °C zusammen mit eingefahrenem Segel keinerlei angenehmen Aufenthaltsraum boten. Kurz gesagt, gehst du raus, hast du Sonnenbrand. 

 

Die Crew

Der Kapitän Cesar, ein Mitte fünfzig Jahre alter Kolumbianer, sprach lediglich Spanisch und hatte über 25 Jahre Erfahrung auf See. Ed, aus Panama und erster Maat, war nebenbei auch unser Ansprechpartner und verantwortlich für die Kommunikation mit uns, da sein Englisch das beste der Crew war. Auf dem Weg habe ich herausgefunden, dass er ausser Seeman auch Ausbildungen als Personal Trainer, Mechaniker und Banker hatte. Der letzte im Bunde war unser Koch, Memo, ein Anfang dreißig jähriger Guatemalteke, hielt sich meistens im Hintergrund und schaffte es aber ausnahmslos uns wirklich gutes Essen zu präsentieren. Besonders beliebt gemacht haben wir uns dadurch, dass es in unserer Gruppe weder Vegetarier, Veganer noch Glutenintolerante Personen gab. Ausserdem ass jeder Fisch, was es ihm als Koch verdammt einfach gemacht hat. 

 

Die Route

Die Überfahrt bestand aus einer achtsündigen Überfahrt von Puerto Lindo nach San Blas, einem Archipel mit über 370 Inseln. Dort hielten wir uns für drei volle Tage auf, bevor wir zur rund dreissigstündigen Überfahrt nach Cartagena wieder in See stachen. 

Die Reisegruppe

Unsere Gemeinschaft bestand neben der Crew aus zwölf Personen. Ich teilte mir die Kajüte mit Robin, im Nachbarzimmer waren das einzige Pärchen an Bord, Devin und Georgia aus England. Die beiden sind ziemlich easy und unkompliziert und haben eine durchaus merkwürdige Reiseroute, weil sie gefühlt fünf Mal zwischen Zentral- und Südamerika hin und her wechselten. Ausserdem gab es eine dreiköpfige Gruppe von Niederländerinnen, Juliette, Mireen und Iris, die hauptsächlich auf holländisch untereinander kommunizierten und dadurch manchmal etwas exklusive Stimmung erzeugten, wenn die meisten anderen nicht verstanden, was sie sagten. Dann gab es die dreier Kajüte mit Daniel, Sophia und Jane, erstere deutsch und letztere französisch. Die drei kannten sich vorher nicht und wurden auf gut Glück zusammen in die Kajüte verfrachtet. Das hat allerdings ganz gut funktioniert. Die letzte Kajüte im Bug des Schiffs war von Gydo und Daniel 2 belegt, zwei niederländische Freunde, die zusammen Ferien machten. 

 

Alles in allem eine entspannte Gruppe, auch wenn nicht gerade engere Freundschaften entstanden sind. Das ist allerdings auch schwierig, wenn so viele Leute, die sich nicht kennen, auf so engem Raum für fünf Tage zusammen gepfercht sind. Ehrlich gesagt hat es dafür erstaunlich gut funktioniert und einige sind danach tatsächlich noch miteinander weiter gezogen. 

 

Puerto Lindo nach San Blas

 

Nach einer halben Stunde im Hafen ist der Crew erstmal aufgefallen, dass Jane noch fehlt. Also wurden einige Telefonate geführt um zu checken, wo die Französin bleibt. Nachdem wir das Gepäck an die Crew übergeben hatten, damit sie es verladen können wurden wir vom Chauffeur in ein nahe gelegenes Restaurant, Café oder wie auch immer man die Bruchbude nennen möchte, die dem Niederländer Hans und seiner einheimischen Frau gehörte, gebracht. Dort warteten wir eine gute Stunde auf unser Frühstück, da die beiden masslos überfordert waren davon, für zwölf Leute Essen vorzubereiten. Das deckt sich übrigens mit den meisten kleinen Restaurants in Zentralamerika. Sind mehr als zwei Tische besetzt, wartest du eben bis zu eineinhalb Stunden auf dein Essen, weil die kleinen Küchen nicht für mehr als vier Personen auf einmal ausgelegt sind. Das Essen war geniessbar und das schlechteste, was wir auf unserem Trip bekommen sollten. Das hat mich besonders gefreut! Hans erzählte uns, wie er an dem einsamen Ort hängen geblieben war, nachdem er drei Mal den Atlantik überquert hatte und stellte uns seine Fledermäuse vor, die an der Decke des Restaurants hingen und immer verscheucht werden mussten, bevor das Gesundheitsamt Kontrollen in seiner Einrichtung durchführt. 

 

Nach dem Frühstück nutzte ich noch ein letztes Mal für die nächsten fünf Tage die Internetverbindung und dann ging es zurück zum Boot, wo auch Jane mittlerweile eingetroffen war. Keine zehn Minuten später ging es dann los und wir stachen in See. Das Abenteuer beginnt! Die Überfahrt war recht Ereignislos und dauerte ihre acht Stunden, in denen wir uns etwas kennen lernten und erschöpft vom frühen Aufstehen erstmal schliefen. Als wir gegen Sonnenuntergang an der ersten Insel von San Blas ankamen, wurden wir von Delfinen begrüsst, die im Kielwasser vor unserem Boot herumsprangen. Als der Kapitän die richtige Insel erreicht hatte, setzten wir den Anker und sprangen noch kurz ins Wasser, bevor es Abendessen geben sollte. Ed sensibilisierte uns möglichst nicht nachts schwimmen zu gehen, da wir uns immer noch auf offener See befanden und Haie durchaus vorkommen würden. Wir beschlossen ausnahmsweise mal Vernunft walten zu lassen und uns daran zu halten. Den ersten Abend verbrachten wir damit uns bei einigen Gläsern Rum etwas besser kennen zu lernen und spielten ein paar Trinkspiele. Alt wurden wir aber alle nicht, war schliesslich ein langer Tag. 

 

San Blas Islands

Im Archipel besuchten wir insgesamt acht kleine Inseln, deren Namen ich nur einmal kurz auflisten werde, da sie viel zu kompliziert sind. Danach werde ich anders referenzieren:

  1. Chichime Grande
  2. Chichime Pequeño
  3. Nugnudub
  4. Waisaladub
  5. Akuardagana
  6. Ogopukidub
  7. Banedub
  8. Quinquindub

Die Inseln werden nur von den indigenen Guna Yala bewohnt, die in der Regel den Einsatz von Technologie und Fortschritt ablehnen. Das Tagesgeschäft ist die Fischerei und der Tourismus. Kokosnüsse auf den Inseln dürfen nur gekauft und nicht aufgesammelt werden, ansonsten bekommt man eine Busse von den Einwohnern. Da die Preise allerdings fair waren, ist das kein Beinbruch. Die meisten der Inseln bestehen aus weissen Sandstränden, sind von Palmen bewachsen und beherbergen meist nur ein bis zwei Hütten. An den Stränden finden sich überall riesige Muscheln (bis zu 40 cm). Auch diese sollen nicht geklaut werden, da sie zu den Inseln gehören.

 

Die Tage gestalteten sich eigentlich alle ähnlich. Vormittags hielten wir uns an einer Insel auf, um nachmittags zur nächsten zu fahren. Dort setzten wir dann Anker und übernachteten auf dem Boot. Grundsätzlich waren die Ankerstellen immer rund 20 bis 30 Meter vom Strand entfernt und schwimmend erreichbar. Alle Inseln waren zwischen 10 und 30 Minuten zu Fuss zu umrunden und in der Regel nicht grösser als 400 x 100 Meter. Meistens konnte man sogar von einem Strand aus die gesamte Insel sehen. Eine hatte ein Volleyballfeld, das von einer Seite der Insel auf die andere reichte. 

 

Wir verbrachten die Tage mit schwimmen, schnorcheln und Strandurlaub, wurden von Memo reichlich und gut bekocht und fingen in der Regel um zwei Uhr an, den ersten Rum einzuschenken. Meine Lieblingsbeschäftigung war mein Limit beim Tieftauchen (nur mit Flossen, Brille und Schnorchel) auszutesten, was meistens erschwert wurde, weil das Wasser selten tiefer als zehn Meter war. Nach fünf Tagen war mein Rekord bei 13,2 Meter gemäss Tauchcomputer und allgemein wurde ich als "Tauchermann” bezeichnet.

 

Am zweiten Abend fuhren wir mit dem Dingi auf eine kleine Insel, auf der es eine Bar gab und verbrachten dort einige Zeit bei ein paar Bier. Ich war recht müde und nicht so motiviert, weshalb  ich mich von Ed gegen 23 Uhr dann aufs Boot chauffieren liess. Dort traf ich Cesar beim Fischen und löste ihn - leider erfolglos - ab, bevor ich mich ins Bett begab.

 

Tag drei war ähnlich wie sonst auch, beim Schnorcheln sahen wir immer wieder Rochen, Barracudas oder ähnliches. Einem ca. 1.5 Meter grossem Barracude gefiel es besonders gut unter unserem Boot und in einer Runde “What are the odds?” forderte ich Robin auf, den Raubfisch anzufassen. Er verlor und vergeblich versuchte er die folgenden Tage immer wieder auf den Barracuda zu springen oder ihn anzutauchen, um seine Wettschulden einzulösen. Disclaimer: Barracudas sind eigentlich harmlos für Menschen, sollten aber mit ihren Zähnen nicht unterschätzt werden. Sie sind und bleiben Raubfische, auch wenn sie eher Angst haben vor Menschen. Hier haben wir die Vernunft mal zuhause gelassen.  

 

Nach einigen Runden Rum und leckerem Abendessen ging es dann auf eine der Inseln, wo die Einheimischen ein Lagerfeuer vorbereiteten. Ich sage es mal so, meine Erinnerungen an den Abend sind etwas verschwommen, aber es gab Marshmallows und das Highlight waren die endlosen Versuche, eine menschliche Pyramide zu bauen. Am Schluss sogar mit Erfolg. Ich hatte nach diesem Abend definitiv genug gesehen von Rum und beschloss, gemeinsam mit den meisten anderen, den restlichen Trip auf Wasser umzustellen. Ich sage mal so: Meine Theorie, dass man auf Meereshöhe keinen Kater bekommt, konnte ich schmerzlich widerlegen…

 

San Blas nach Cartagena

Am Abend des vierten Tages stachen wir dann für unseren letzten Abschnitt wieder in See. Die grosse Überfahrt stand bevor und vorsorglich schluckte ich alle paar Stunden ein paar Tabletten gegen Seekrankheit. Der Nebeneffekt dieser Tabletten ist üerhöhte Müdigkeit, was uns ganz gut in die Karten spielte. Der erste Maat meinte nur, dass er die nie nehmen kann, weil wir sonst einen ersten Schläfer an Bord hätten. Das kann ich gut nachvollziehen, denn trotz dessen, dass unsere Kajüte neben dem unglaublich lauten Motor war, konnte ich relativ gut schlafen. Bevor es aber soweit war, durften wir noch ein kleines Highlight erleben: Eine der Fischerrouten schlug an und nach zehn Minuten Kampf unseres gut Bizepsinierten Maat, stellte die Crew fest, dass wir einen drei Meter langen Hai an der Leine hatten. Durch das Dämmerlicht war schwer zu sagen, was für einer es war, aber ich vermute entweder ein grauer oder eine Tigerhai. Da wir nicht das nötige Equipment an Bord hatten und vermutlich das Fischen von Haien ohnehin illegal ist, wurde die Leine gekappt, bevor wir den Hai richtig sehen konnten. Wir stellten uns alle auch die Frage, ob der Hai nun für immer mit dem Haken im Mund herum schwimmen würde, aber es wurde bestätigt, dass dieser biologisch Abbaubar ist und sich nach einigen Tagen auflösen würde. 

 

Und so begann die Überfahrt und ein sehr langweiliger letzter Tag, denn auf dem Boot herrschte immer noch knallende Sonne und die Sitzsituation von 15 Leuten in der kleinen Sitzecke ist nicht sonderlich komfortabel. Gegen 1 Uhr nachts erreichten wir dann Cartagena, was ich allerdings nur beschränkt mitbekam, da ich mich bereits im Land der Träume befand. Mein grösster Traum: Eine Frische Dusch am nächsten Morgen!

 

Und so kam es dann auch, nacheinander suchten wir alle die Sanitäranlagen auf und nach einem letzten gemeinsamen Frühstück verabschiedeten wir uns alle voneinander, um in verschiedenen Richtungen unsere Unterkünfte aufzusuchen. Als Abschluss vereinbarten wir jedoch noch gemeinsam ein letztes Mal zu Abend zu essen. Also begaben wir uns an Land, unsere Immigration hatte die Crew bereits am frühen Morgen für uns durchgeführt. Willkommen in Kolumbien!

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