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Akatenango Aufstieg / Fuego

Das erste grosse Abenteuer stand bevor: De Besteigen der beiden Vulkane Akatenango und Fuego. Der Tag begann um 6:30 Uhr, als mein Wecker klingelte und ich meine Sachen packte, um anschliessend ein kleines Frühstück bestehend aus zwei amerikanischen Pancakes im Hostel zu mir zu nehmen. Kein grosses Frühstück also. Um 7:30 Uhr sollte ich vor dem Hostel auf den Shuttlebus warten und als dieser um 8 Uhr dann endlich ankam konnte die Reise beginnen. Bereits im Shuttle lernte ich die zwei deutschen Mädels Anna und Carina sowie die Mexikanerin Daelen kennen. Mit Daelen unterhielt ich mich während der Fahrt auf Spanisch, da sie nicht wirklich Englisch spricht. Das hat aber ziemlich gut funktioniert und ich will ja schliesslich an meinen Sprachkenntnissen arbeiten. Wir waren alle sehr gespannt auf den Trip und die gute Stimmung war von Anfang an vorhanden, was mich nach meinen letzten Trips, bei denen ich komische  Mitreisende hatte, ziemlich beruhigt hat. Als wir am Treffpunkt ankamen, wurden wir auf unseren Trip vorbereitet. 

 

Grundsätzlich ist die zweitägige Vulkantour wie folgt aufgebaut: 

Am ersten Tag trifft man sich im Camp am Fuss des erkalteten Vulkanes Akatenango, wird instruiert und beginnt gegen 10 Uhr den Aufstieg zum “Base-Camp”, das sich auf ca. 3’700 m Höhe befindet. Von dort aus kann man abends noch den optionalen Hike auf den aktiven Vulkan Fuego machen, um das Lavaspektakel mit etwas Glück von Nahem zu betrachten. Am zweiten Tag gibt es dann zum Sonnenaufgang um 4 Uhr eine Wanderung auf den Gipfel des Akatenango, von dem aus man einen unglaublichen 360°-Blick über das Umland hat. Das, und dass man ein paar warme Klamotten einpacken soll waren so ziemlich die einzigen Infos, die wir vom Veranstalter bekommen haben. 

 

Nachdem wir uns also im Tal versammelt hatten und sich die 21 Personen grosse Gruppe kurz kennen gelernt hatte, ging es auch schon los. Wir wurden ausgerüstet mit Winterjacken, Jogginghosen, Mützen, Schals und Handschuhen und hatten noch die Chance einige Snacks zu kaufen. Nachdem ich wusste, dass wir ein Mittag- und Abendessen sowie ein Frühstück bekommen würden, kaufe ich mir noch drei Müsli-Riegel als Notfallration für Unterwegs. Hätte ich da mal gewusst, was noch alles kommt. Da ich unbedingt Fotos machen wollte, habe ich natürlich meine Drohne und Kamera eingepackt und zusammen mit den vier Litern Wasser und Winterklamotten müsste mein Rucksack auf ein Gewicht von 12 - 14 kg gekommen sein, was ziemlich viel ist für eine solche Wanderung. Als alle ausgestattet und bereit waren, haben wir unseren Aufstieg begonnen. 

 

Alle Höhenangaben, bis auf die Camp- und Gipfelhöhe des Akatenangos, habe ich im Nachhinein recherchiert. Uns war zu keinem Zeitpunkt bewusst, wie viele Kilometer oder Höhenmeter wir an diesem Tag machen würden. Unser Aufstieg begann auf 2’400 m am Fusse des Vulkans und zog sich bis auf 3’700 m zum Camp, an dem unsere Zelte platziert waren. Rechnet man die paar kleinen Abstiege dazu, reden wir also über einen Aufstieg der ersten Etappe von ca. 1’500 Höhenmetern auf eine Distanz von 10 km. Um 12 Uhr gab es die erste grössere Pause (30 Minuten) und wir konnten unser Lunchpaket zu uns nehmen. Dieses bestand aus Reis, Bohnen und Gemüse und war gar nicht mal schlecht. Das hatten wir natürlich auch selbst von unten hoch getragen. Damit war der erste Hunger mal gestillt und wir setzten den Aufstieg fort. 

 

Gegen 16 Uhr erreichte ich als zweiter das Camp, in dem wir unsere Nacht verbringen würden. Ich war selbst erstaunt, dass ich nach so langer Zeit ohne aktiven Sport in der Gipfelgruppe dabei war. Insgesamt waren wir zu siebt, die als erstes das Camp erreichten und bis die letzten eingetrudelt sind, dauerte es dann noch ca. 45 Minuten. Wir genossen den Ausblick und bestaunten die ersten Rauchschwaden, die auf dem “Fuego” aufstiegen, während er einige Eruptionen hatte. Langsam hatte ich die ersten Hungergefühle, aber die grosse Entscheidung, wer die Anschlusstour machen möchte, stand aus. Ich fragte den Guide, wie lang und wie viele Höhenmeter diese Tour beinhaltete. Er meinte daraufhin, dass es sich um ca. 3 Stunden handelt, in denen man 150 Höhenmeter runter in ein Tal zwischen dem aktiven und erkalteten Vulkan geht, die gleiche Höhe dann wieder nach oben läuft auf den aktiven Vulkan und im Anschluss das ganze wieder zurück. Garantie, dass man etwas sieht, gibt es nicht. Wenn das Wetter nicht mitspielt, dann läuft man die Strecke, ohne dafür belohnt zu werden. Trotz Hunger dachte ich mir, dass insgesamt 300 Höhenmeter ja easy machbar ist und meldete mich für die Zusatztour an. Das war die grösste Fehlentscheidung, die ich auf meiner Reise bisher getroffen habe, für die ich aber selber nichts kann, da sie auf Grundlage falscher Informationen gefällt wurde. 

 

Ich möchte an dieser Stelle nochmal betonen, dass wir bis zu diesem Punkt bereits 1’500 Höhenmeter und sechs Stunden Wanderung hinter uns hatten und ich bisher nur das kleine Frühstück und das Lunchpaket gegessen hatte. Und so begannen wir den Abstieg ins Tal zwischen Akatenango und Fuego, ohne weitere Nahrung. Bereits während des Runterlaufens wurde mir aufgrund meiner Erfahrungswerte von vergangenen Wanderungen bewusst, dass das nie im Leben nur 159 Höhenmeter waren. Nachdem ich das nachträglich recherchiert habe, kann ich das auch bestätigen. Es waren nämlich 500 m Unterschied zwischen Camp und Tal und das ganze natürlich mal zwei, denn man musste es ja auch wieder zurück laufen. Während das Hungergefühl immer stärker wurde, liefen wir bis ins Tal herunter und ich fühlte mich bereits immer schwächer. Nach einer Stunde und 20 Minuten kamen wir im Tal an. Das erste Viertel der Wanderung. Ich möchte erinnern, es hiess zu uns, dass das nach 45 Minuten der Fall wäre. Und dann begann der Aufstieg gemeinsam mit dem Verschwinden des Sonnenlichts. Also schnallten wir uns die Kopflampen an und setzten einen Fuss nach dem anderen in Richtung Kamm des Fuegos. nach ca. 300 Metern Anstieg fing ich wirklich an mit mir selbst und meinem Körper zu kämpfen. Ich konnte einfach nicht mehr. Die Mangelernährung in Kombination mit der Höhenluft brachte meinen Körper ans Limit. Und die gesamte Zeit hat man vor Augen, dass man jeden Schritt, den man gerade macht, später auch wieder zurück machen muss. 

 

Ca. 15 Minuten vor Erreichen des Kamms konnte ich dann wirklich nicht mehr. Alle zwei Schritte brauchte ich eine halbe Minute Pause um Kraft für die nächsten Schritte zu sammeln. Neben der Dunkelheit kamen nun auch noch Kälte, Nebel und Wind dazu und machten das ganze wirklich unangenehm. Bei jedem Schritt mussten wir darauf achten nicht umzuknicken oder abzurutschen. Ich hatte im Gegensatz zu den anderen immerhin Wanderschuhe mit Profil, während die sich mit glatten Sneakern den Hang hoch gekämpft haben. Das demotivierende war, dass sich durch den Nebel und die Wolken bereits abzeichnete, dass wir am Gipfel nicht mal etwas sehen würden. Kraftlos habe ich mich auf den Boden gesetzt und versucht Kräfte zu sammeln. Ein Guide einer anderen Gruppe hat mich während ihres Abstiegs gefragt, ob es mir gut geht und ich erklärt ihm, dass ich Essen brauche oder ich sonst nicht mehr zurück komme. An seinem Gesichtsausdruck habe ich erkannt, dass er den Ernst der Lage erkannte. Er holte eine Cola und ein paar Nüsse aus seinem Rucksack und bot mir diese an. Das half extrem und ich hatte wieder etwas mehr Power. Als unsere Nachzüglerin Daelen mit dem zweiten Guide bei mir ankam, machte ich mich mit ihnen weiter an den Aufstieg, um zum Rest der Gruppe aufzuschliessen. Ca. 5 Minuten vor dem Ziel berichteten uns die anderen über Funk, dass man nichts sehen würde. Also entschieden wir, die letzten Meter nicht mehr zu machen und für den Abstieg auf den Rest der Gruppe zu warten.

 

Als diese bei uns eintrafen meinten sie bereits, dass sie ebenfalls kurz vor dem Ziel abbrechen mussten, weil sie durch die Kälte, den Nebel und den Wind wirklich Panik bekommen hatten. Eines der Mädels hatte kaum noch Akku an ihrer Stirnlampe und fürchtete, dass sie sich irgendwo den Fuss verknackst, wenn sie da oben weiter läuft. Sichtweite mit Lampe waren bei uns anderen auch nur ca. 2 m.

 

Also begannen wir den Abstieg. Dieser ging etwas schneller und ich war selber erstaunt, wie viel Höhenmeter ich noch geschafft hatte. Ich dachte, wir wären noch viel weiter unten gewesen, aber scheinbar waren wir wirklich kurz vor dem Ziel umgekehrt. Im Tal angekommen, holten die Guides ein paar Chips als Snack heraus und boten sie uns an. Ausnahmslos jeder in unsere Gruppe war bereits am Limit und unsere letzte Mahlzeit war bereits 9 Stunden her, während denen wir konstant auf den Beinen waren und Kalorien verbrannten. Die ganze Zeit hatten wir im Hinterkopf, dass wir uns gleich noch drei Kilometer den Berg hoch kämpfen müssten.

 

Als wir den Aufstieg begannen, lief es eigentlich wieder ganz gut. Die Höhenluft war nicht ganz so krass, da wir ja gehörig Höhe abgebaut hatten und wir hatten zumindest etwas kleines gegessen. Das ganze hielt aber vielleicht für die Hälfte des Wegs an, bis die Energiequelle der Snacks wieder erschöpft war und die Höhenluft zuschlug. Etwa eine halbe Stunde nach Beginn des Aufstiegs machte dann der Himmel auf und ich spottete als Erster, wie der Vulkan ausbrach. Das besondere ist, dass man das Rot der Lava nur bei Nach sieht und so rief ich laut “Fuego”, um den anderen zu signalisieren, zum Vulkan zu schauen. Das Naturspektakel war wirklich eindrücklich und von dort aus, explodierte die heisse Masse alle 15 - 20 Minuten in den Nachthimmel. Immerhin hatte es sich gelohnt, so lange wach zu bleiben. Doch der Aufstieg wurde immer schwerer und die Höhenluft drückte. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so schwach und machtlos gefühlt und wusste, dass wenn ich das nicht selbst schaffe, mich keiner den Berg hoch zum Camp bringen könnte.

 

Schritt für Schritt mit regelmässigen Pausen kämpften wir uns nach oben und es war ein krasser Kampf mit dem inneren Ich, nicht aufzugeben. Irgendwann kam ich dann schliesslich als Zweitletzter am Camp an, wo uns eine heisse Schokolade und ein warmes Abendessen erwartete. Es war bereits 22:30 Uhr, also 4.5 Stunden, nachdem wir unsere “3-stündige” ur begonnen hatten. Ich bin der Meinung, dass es extrem fahrlässig vom Tourveranstalter war, kein Essen vor dieser Tour anzubieten und uns mit falschen Infos (3 Stunden statt 4.5 und 300 Höhenmeter statt 1’000) zu versorgen. Das schlimme war, dass mein Körper so kaputt war, dass ich nicht mal mehr was essen konnte, obwohl ich den ganzen Tag so einen Hunger hatte. Ich zwang mich selbst noch 5 Löffel Kartoffelbrei zu essen und musste den rest der Portion weg schmeissen. 

 

Alles in allem hatten wir an diesem Tag ca. 2’700 Höhenmeter gemacht auf eine Distanz von 15 km. Keiner von uns hatte auf diesen Anstieg trainiert und war gut genug informiert worden. Erschöpft fiel ich um 23 Uhr auf meine Matratze im Wissen, dass es am nächsten Tag um 4 Uhr wieder los gehen würde.

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Kommentare: 1
  • #1

    Andy BlackForest (Montag, 09 Oktober 2023 04:31)

    Was einer Mördertour....und das Gefühl, ohne entsprechende Nahrung ein solches Vorhaben durchzuführen- ich glaube, ich wäre vom Vulkan gefallen, nicht gelaufen...Respekt vor dieser leistung!